Thor Heyerdahl

Thor Heyerdahl ist einer der berühmtesten Entdecker der Geschichte. Im Jahr 1947 überquerte er den Pazifik auf einem Floß aus Balsaholz. Dies war seine erste Expedition, die er filmte, und die 1951 den Academy Award für den besten Dokumentarfilm erhielt. Später schaffte er ähnliche Erfolge mit den Schilfbooten Ra, Ra II und Tigris, mit denen er seine enge Beziehung zur Umwelt und zum Weltfrieden darstellte. Er war auch für wichtige archäologische Ausgrabungen auf den Galapagosinseln, den Osterinsel und in Tucume verantwortlich. Das Kon-Tiki-Museum stellt Objekte von Heyerdahls weltberühmten Expeditionen aus – das originale Kon-Tiki-Floß und das Papyrus-Boot Ra II.

Geboren am

6. Oktober 1914, Larvik, Norwegen

Gestorben am

18. April 2002, Colla Micheri, Italien

Beruf

Ethnologe, experimenteller Archäologe und Autor

Ehefrauen

Liv Coucheron Torp (1936–1947)
Yvonne Dedekam-Simonsen (1949–1980)
Jacqueline Beer (1991–2002)

Kinder

Thor Jr. und Bjørn (mitLiv); Anette, Marian und Helen Elisabeth (Bettina) (mit Yvonne)

Mitglied von

Det Norske Videnskaps-Akademi (1958); New York Academy of Science (1960); American Anthropological Association (1966); Ehrenmitglied Norsk Geografisk Selskap (1953); Ehrenmitglied Geographical Society of Peru (1953); Ehrenmitglied Geographical Society of Brazil (1954); Ehrenmitglied La Société Royale de Géographie d’Anvers, Belgium (1954); Ehrenmitglied USSR Geographical Society, Moscow, Russia (1964); Ehrenmitglied Mem. Bulgarica Geographica Societas, Sofia, Bulgaria (1972); Explorers Club, New York (1942); World Wildlife Foundation; Green Cross (Gründungsmitglied); Worldview International Foundation (Gründungsmitglied); World Federalist Movement

Ausgewählte Auszeichnungen

Doctor Honoris Causa der Universität Oslo (1961); Doctor Honoris Causa der Moscow State University (1989); Hon. Ph.D. University of San Martin (1991); Doctor Honoris Causa der Pacific Lutheran University (1998); Doctor Honoris Causa der University of Maine (1998); Doctor Honoris Causa der Latvian Academy of Science (1998); Doctor Honoris Causa der Western University (2011); Anders Retzius-Medaille (1950) Vega-Goldmedaille der Schwedischen Gesellschaft für Anthropologie und Geographie (1962); Prix Bonaparte-Wyse der Société de Géographie in Paris (1951); Mungo Park Medaille der Royal Scottish Geographical Society (1951); Lomonossow-Medaille der Universität von Moskau (1962); Goldmedaille der Königlichen Gesellschaft für Geographie von London (1964); Bjug Harstad Distinguished Service Award, Pacific Lutheran University (1965); Bradford Washburn Preis, Museum der Wissenschaften von Boston (1982); Fridtjof Nansen-Preis für herausragende Forschung (1985); Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst (2000); Internationaler Preis der Geographischen Gesellschaft von Spanien (1998); The Explorers Club Medaille (1979); St. Hallvard-Medaille, Oslo (1997); Großkreuz des St. Olavs Ordens (1987); Oficial de la orden Al Mérito por Servicios Distinguidos, Peru (1952); Grand Officer, Order of Distinguished Merit (1965); Verdienstorden, Ägypten (1971); Großoffizier des königlichen Ordens der Alauiten (1971); Aleko Konstantinov-Medaille (1972); Golden Ark Orden (1976); UN-Botschafter des Friedens, UN/FAO (1976); Internationaler Pahlavi Environment Preis der Vereinten Nationen (1978); Golden Blume von Rhydt (1981)

Thor Heyerdahl wurde am 6. Oktober 1914 in Larvik, Norwegen, geboren. Dort wuchs er auch auf. Sein Vater, Thor, war Eigentümer einer Brauerei. Seine Mutter, Alison, war die Leiterin des Museumsverbandes Larvik und Umgebung. Sie inspirierte ihren Sohn zu seinem ausgeprägten Interesse für Tiere und Naturwissenschaften. Eine Zeitlang hatte er sein eigenes zoologisches Museum in den alten Räumlichkeiten der Brauerei seines Vaters. Thor war ein guter Zeichner und schon als Achtjähriger schuf er fantasievolle Zeichnungen von Südseeinseln. Er hatte sich entschlossen, Entdeckungsreisender zu werden.

In seiner Jugend interessierte sich Thor Heyerdahl für Geländelauf, inklusive Wanderungen durch Wälder und Wiesen. Nach und nach unternahm er viele Wanderungen im Gebirge in Süd- und Mittelnorwegen, wo er lernte, mit einfachen Mitteln in und von der Natur zu leben. Heyerdahl und sein Freund Erik Hesselberg unternahmen lange Wanderungen, im Zuge derer sie den Rondane-Nationalpark und die Jotunheimen-Berge erforschten, wo sie unter offenem Himmel oder in Schneelöchern lebten. Auf diesen Wanderungen hatte Heyerdahl stets seinen Grönlandhund Kazan bei sich.

Die Wanderungen wurden in Artikeln geschildert, die in der norwegischen Wochenzeitung Tidens Tegn (Zeichen der Zeit) und in verschiedenen Jahrbüchern publiziert wurden. Die Artikel wurden üblicherweise mit Heyerdahls eigenen Fotografien oder Zeichnungen illustriert. Nach und nach schrieb er auch eher lehrreiche Artikel, wie z.B. «Wie man einen Iglu baut». Dadurch erlangte Heyerdahl einerseits Erfahrungen in der Wissensvermittlung und andererseits einen gewissen Bekanntheitsgrad im Kreise von Naturfreunden.

Nach dem Abitur im Jahre 1933 begann Heyerdahl an der Universität in Oslo Biologie und Geographie zu studieren. Hier kam er in Kontakt mit Bjarne Kroepelien, der während des Ersten Weltkrieges Polynesien bereist hatte. Auf Tahiti hatte Kroepelien sich mit Tuimata, einer der Töchter des Häuptlings Teriieroo, verlobt. 1918 erreichte die Spanische Grippe Tahiti und die Hälfte der Einwohner der Insel starb, so auch Tuimata. Zu ihrem Gedenken vermachte Kroepelien seine berühmte «Polynesien-Bibliothek» der Universität in Oslo. Heyerdahls Zugang zu dieser Bibliothek sowie auch Kroepeliens Freundschaft mit Häuptling Teriieroo sollten für Heyerdahls späteres Leben und seine Karriere von großer Bedeutung sein.

Der Weltbürger

Wir sind als menschliche Wesen alle gleich. Wir stehen alle den selben praktischen Herausforderungen gegenüber. Dies war Thor Heyerdahls Grundeinstellung hinsichtlich der menschlichen Existenz. Er meinte ferner, dass die Menschen über alle ethnischen, politischen und religiösen Trennlinien hinweg zusammen arbeiten und leben können.

Insbesondere im Zeitraum vom Ende der 1950er an bis in die 1990er Jahre engagierte sich Heyerdahl auf dem Gebiet der globalen Friedensarbeit. Er appellierte an die höchsten Behörden und mächtigsten Politiker in mehreren Staaten, darunter Gromyko und John F. Kennedy (USA).

Anklang fanden Heyerdahls Worte in der Bewegung der Weltföderalisten (World Federalist Movement), weshalb er bald zu einem engagierten Mitglied in dieser Bewegung wurde. Später wurde Heyerdahl zum Vizepräsidenten der Organisation gewählt.

Heyerdahl engagierte sich auch in der Arbeit der United World Colleges. Die Organisation betreibt mehrere weiterführende Schulen rund um den Erdball, in denen Jugendlichen aus verschiedenen Ländern wohnen und studieren. Die Organisation wurde während des Kalten Krieges gegründet und die Idee dahinter war, dass solche Schulen junge Menschen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund dazu bewegen sollten, von und übereinander zu lernen.

 

Durch seine Expeditionen mit Ra, Ra II und Tigris, bei denen die Besatzung aus Menschen aus verschiedenen Ländern und Weltgegenden bestand, hatte Heyerdahl versucht zu zeigen, dass man auch über die Grenzen verschiedener Kulturen hinweg gut zusammenarbeiten kann. Damit wollte er auch seine eigene Hypothese untermauern, dass das Meer eine Verkehrsader gewesen war, die den Kontakt zwischen verschiedene Kulturen schon in vorhistorischer Zeit gefördert hatte.

Als Heyerdahl im Jahre 1978 mit dem Schilfboot Tigris vom Irak nach Dschibuti reiste, wollte er auch das Rote Meer bereisen, doch aufgrund von Kämpfen in der Region verzichtete er darauf. Er beschloss, Tigris zu verbrennen. Gleichzeitig sandte er einen Brief an den damaligen UNO-Generalsekretär, Kurt Waldheim, in dem er gegen den Krieg und Waffenverkäufe westlicher Lände an Entwicklungsländer protestierte. Die gesamte Mannschaft unterzeichnete diesen Brief.

 

«Unser Planet ist größer als die Schilfbündel, die uns über das Meer trugen-  und dennoch klein genug, den selben Gefahren gegenüberzustehen, es sei denn, dass wir Lebenden einsehen, dass wir auf kluge Wiese miteinander zusammenarbeiten müssen, um uns und unsere gemeinsame Zivilisation nicht ebenso zu versenken, wie unsere Schiffe.»

Der Umweltschützer

Während der Seereise auf der Ra, erkannte die Mannschaft das Ausmaβ, in dem der Atlantik verschmutzt war. Die Mannschaft fand größere und kleinere Ölklumpen auf der Meeresoberfläche und teilte diese Entdeckung der UNO (Vereinte Nationen) mit. Auf der Fahrt mit Ra II wurde Heyerdahl vom UNO-Generalsekretär gebeten, täglich Beobachtungen in Bezug auf die Verschmutzung des Meeres zu machen. Feste Ölklumpen wurden an 43 von 57 Tagen der Seereise gefunden.

Die Mannschaft sandte einen Aufruf an den UNO-Generalsekretär U Thant und der Ölverschmutzung der Weltmeere wurde große Aufmerksamkeit gewidmet, insbesondere in den amerikanischen Medien. Thor Heyerdahl wurde zu einer Anhörung im amerikanischen Kongress geladen. Er nahm auch für das norwegische Außenministerium als einer von Norwegens Repräsentanten an den vorbereitenden Treffen zur ersten Umweltkonferenz der UNO in Stockholm im Jahre 1972 teil. Die Konferenz beschloss u.a. ein Verbot gegen die Entsorgung von Altöl im Meer – eine direkte Konsequenz des Aufrufs, den die internationale Mannschaft des sinkenden Schilfbootes Ra an die Weltöffentlichkeit gesandt hatte.

Thor Heyerdahl wurde nie müde, für eine bessere Umwelt zu arbeiten und dabei insbesondere gegen die Verschmutzung der Weltmeere zu kämpfen, die er konsequent als «Weltmeer» – im Singular – bezeichnete, da sie alle zusammenhängen.

 

 

 

 

Zeichnung von Thor Heyerdahl, 1946

Der Künstler

Die künstlerischen Seiten Thor Heyerdahls dürften den meisten unbekannt sein. Seine Interessen lagen in der Vorgeschichte, der Anthropologie und der Archäologie – und das spiegelt sich sowohl in seinen Büchern und Filmen als auch in seinen Zeichnungen wider.

Wie alle Kinder zeichnete und malte Thor Heyerdahl gerne. Texte von Heyerdahls früheren Wanderungen in Wäldern und Bergen wurden in Zeitungen und Magazinen publiziert, oft begleitet von seinen eigenen humorvollen Zeichnungen. Auf der Reise zum Pazifik, die er zusammen mit seiner Frau Liv zwischen 1937 und 1938 unternahm, fertigte er eine Reihe von humoristischen Zeichnungen an, die auf wahren Begebenheiten beruhten. In der Zeit danach bis zur Kon-Tiki-Expedition wurden seine Zeichnungen stärker von gesellschaftskritischen Elementen geprägt, so in Bezug auf die Wahrnehmung anderer Rassen, den blinden Fortschrittsglauben und die Verteilungspolitik der Welt. Er fertigte auch gerne Kommentare oder Bildtexte zu seinen Zeichnungen an.

Die Holzschnitzerei war ein weiteres Interesse, das Thor Heyerdahl sein ganzes Leben lang beschäftigte. Bereits früh in seiner Jugend zeigte er Talent für dieses Handwerk. Erhalten geblieben ist ein fantastisches kleines Tableau einer Südseeinsel, das von Heyerdahl in seiner Jugend aus einem Kistendeckel geschnitzt wurde.

Auf seine alten Tage schnitzte Heyerdahl zwei Kon-Tiki-Köpfe in die mächtige Eingangstür der Casa Kon-Tiki, seinem Haus in Túcume, Peru.

Der Vermittler

Die meiste Zeit seines Lebens verbrachte Thor Heyerdahl hinter einem Schreibtisch, entweder um zu schreiben oder in Bibliotheken auf der ganzen Welt, um sich neues Wissen anzueignen. Im Laufe seines Lebens veröffentlichte er eine Reihe Bücher und über fünfzig Fachartikel. Thor Heyerdahl war gut darin, die Wissenschaft herauszufordern – und unerwartete Fragen zu stellen, die althergebrachte Wahrheiten erschütterten. Er hatte zwar nicht immer recht, aber ohne Fragen gibt es auch keine Wissenschaft. Und viele derjenigen Fragen, die Thor Heyerdahl stellte, werden noch immer erforscht.

Die meisten Menschen erinnern sich Thor Heyerdahls als eines großen Vermittlers. Heyerdahls Fähigkeit, sich mit Menschen zu verbinden und diese in Gespräche zu verwickeln war einmalig. Es lag ihm stets viel daran, seine Erlebnisse weiterzugeben, was ihm durch seine hervorragenden Bücher, Filme, Bilder und Vorträge sehr gut gelang.

Heyerdahl verfasste vierzehn populärwissenschaftliche Bücher. Viele dieser Bücher wurden in eine Reihe von Sprachen übersetzt und verkauften sich sehr gut. Das Buch Kon-Tiki. Ein Floß treibt über den Pazifik (1948, dt.1949) wurde in mehr als 70 Sprachen übersetzt und verkaufte sich mehrere dutzend Millionen Mal – was es zu einem der bestverkauften Bücher, das jemals von einem norwegischen Autor verfasst wurde, macht.

Thor Heyerdahl drehte auch Filme über die meisten seiner Expeditionen. 1950 kam der Dokumentarfilm Kon-Tiki heraus, der im darauf folgenden Jahr den Oscar gewann. Die Filme sorgten für großes Aufsehen und trugen dazu bei, Heyerdahls Ideen einem größeren Publikum bekannt zu machen.